Deutschland 2006
 ... Tour de Erfurt 2006
  (Bernd Bärenklau, Thomas Fritsche und Heiko Otto)
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07.07.2006 (Fr)
   1600 Uhr - Feierabend ! Das zweite Juli-Wochenende bricht an - ein Wochenende welches ich gleichermaßen herbeigesehnt wie gefürchtet habe. Radelnderweise wollen wir - Bernd, Tom & ich (mehr "Verrückte" haben sich leider nicht zur Teilnahme überreden lassen) - an diesem Wochenende die so Pi-mal-Daumen 300 km lange Strecke von Frankfurt/Main nach Erfurt zurücklegen. Während Bernd & Tom eine ähnliche Tour bereits im letzten Jahr abgefahren haben, begebe ich mich auf Neuland. Nicht das dies meine erste größere Radtour wäre - doch die letzte liegt schon ein paar Jährchen zurück !Deu-2006-002-001
   1635 Uhr - Abfahrt mit dem Zug von Wetzlar Richtung Frankfurt/M. Mein Fahrrad und die nötige Ausrüstung habe ich bereits letzte Woche aus Erfurt mitgebracht - alles in allem nicht allzu viel: Wechselklamotten, Waschzeug, ein wenig Proviant und die obligatorischen Werkzeuge & Ersatzteile für potentielle Pannen - hoffen wir mal, dass wir letztere nicht wirklich brauchen !
   1810 Uhr - Ankunft in Frankfurt/M. - der Hauptbahnhof ist unser vereinbarter Treffpunkt. Bernd kommt wenige Minuten später mit dem Zug aus Erfurt an und Tom - unser Gastgeber für die kommende Nacht - holt uns ab - natürlich mit dem Rad.Deu-2006-002-002 Quer durch das Frankfurter Verkehrschaos geht es zuerst einmal nach Neu-Isenburg - Toms Domizil. Bei "Sauer gespritztem Äbbelwoi" und heißen Ofenkartoffeln werden anschließend der Zeitplan und die genaue Fahrtroute der Tour festgelegt. Geschichten von Bernds & Toms letzter Radtour, bei denen es sich vor allem um verpasste Abzweigungen, kilometerlange Umwege und nicht enden wollende Anstiege dreht, bilden das "Kulturprogramm" des Abends.Deu-2006-002-003

08.07.2006 (Sa)
   715 Uhr - Aufstehen, Duschen und - als letzter Luxus - ein ausgiebiges Frühstück in Toms Wohnung.
   845 Uhr - Allerletzter Check der Räder, Aufbruch. Wetter: bewölkt, schwül-warm, 25°C - für eine Radtour gar nicht so übel. Die ersten Kilometer sind belastend: Wir fahren Richtung Hanau auf stark befahrenen Bundesstraßen.
   945 Uhr - Kilometer 23 - überqueren den Main bei Hanau - weiter geht es auf dem Fernradweg R3 Richtung Gelnhausen. Der anfangs gut geteerte Radweg folgt dem Verlauf der Autobahn A66 - zumindest so ungefähr: Während die A66 ziemlich geradlinig nach Nordosten verläuft, führt der Radweg in wildem Zickzack durch Felder, Weiden und kleinere Gehölze. Müssen mehrfach die Karte konsultieren, um sicherzugehen, dass wir nicht im Kreis geführt werden.Deu-2006-002-004 Kommen dank des brettflachen Geländes aber trotzdem recht gut voran.
   1115 Uhr - Kilometer 52 - erreichen Gelnhausen - weiter geht es in Richtung Schlüchtern. Wetter: die Wolkendecke reißt langsam auf, hin & wieder lugt die Sonne durch die Wolken und treibt das Thermometer unaufhaltsam auf 30°C (der vom Wetterbericht prognostizierte Regen fällt heute wohl aus). Passieren Salmünster. Der Radweg wird zusehends schlechter und verwandelt sich schließlich in eine holprige Schotterpiste. Es geht langsam aber stetig bergan.
   1300 Uhr - Kilometer 90 - gönnen uns eine erste kurze Pause in Schlüchtern.Deu-2006-002-005 Einkauf: Schokolade & Getränke. Ein Blick auf den Höhenmesser: 205 m ü.NN - ein Plus von 95 m seit unserm Start in Frankfurt.
   1315 Uhr - verlassen den Radweg, der weiter in Richtung Fulda geht. Folgen nun einer schmalen, steil ansteigenden Landstraße durch die nördlichen Ausläufer des Spessart.
   1345 Uhr - Kilometer 100 (350 m ü.NN) - der Ortseingang von Sterbfritz. Das Ortsschild ist uns einen kurzen Fotostopp wert. Bei drückender Mittagshitze geht es Minuten später weiter, zuerst steil hinab ins Sinntal, dann ebenso steil wieder bergan bis der Höhenmesser 440 m ü.NN anzeigt. Willkommen in der Bayerisch Rhön !Deu-2006-002-006 Die herrliche Landschaft entschädigt ein wenig für die schweißtreibende Schinderei. Zeit zum Genießen bleibt allerdings nicht - Bernd & Tom legen ein höllisches Tempo vor, und ich muss treten-treten-treten-treten um den Abstand nicht allzu groß werden zu lassen.
   1445 Uhr - Kilometer 120 (375 m ü.NN) - in der Parkanlage des Bayerischen Staatsbad Brückenau spielen Musikanten zum Fest auf. Ich würde ganz gerne an Stück zusehen, doch Bernd & Tom brausen daran vorbei - Pause ade. Langsam merke ich, wie mir die Kräfte schwinden. Die Mittagspause ist schließlich schon 1½ Stunden überfällig !Deu-2006-002-007
   1500 Uhr - Kilometer 125 - Stopp in Römershag, einem Vorort von Brückenau. Mittagspause im Gasthof "Breitenbach" - endlich ! Viel hat nicht mehr gefehlt und ich hätte einen "Hungerast" bekommen. Die Wirtsleute sind alt, gebrechlich und entsprechend langsam - das Essen ist dafür preiswert & schmeckt ganz hervorragend: Leberknödel, Semmelklöße & Sauerkraut - kochen können sie, die Bayern ! Während sich Tom & Bernd ein kühles Bier gönnen, ziehe ich Kola mit Zitrone & viel Traubenzucker vor - das schmeckt zwar nicht wirklich, gibt dafür aber schnell neue Energie !Deu-2006-002-008
   1645 Uhr - weiter geht die Fahrt, natürlich bergan - zuerst gemächlich, dann immer steiler ! Frisch gestärkt beschließe ich mal wieder die Führung zu übernehmen ... der Traubenzucker zeigt Wirkung ! Erstmals spricht Tom ganz ernsthaft aus, was zu Beginn der Tour noch als Scherz galt: "Eigentlich könnten wir doch gleich bis Erfurt durchfahren !" Das Bernd diesem Vorschlag sogleich zustimmt, wundert mich nicht wirklich. Aber - "Warum eigentlich nicht ?" - das habe doch nicht etwa ich gesagt ? Ich muss total übergeschnappt sein ! Plötzlich gilt es als beschlossene Sache: Statt in zwei Tagen soll die Strecke nun an einem bewältigt werden - verrückt, total verrückt !Deu-2006-002-009
   1700 Uhr - Kilometer 140 - Wildflecken liegt hinter uns und der Höhenmesser zeigt eine neue Höchstmarke an: 650 m ü.NN. Zur Belohnung folgt eine lange Abfahrt nach Bischofsheim.
   1715 Uhr - Kilometer 145 (330 m ü.NN) - Bischofsheim - weiter geht es auf schwach befahrenen Nebenstrecken Richtung Nordheim. Die Rhön liegt hinter uns, das Streckenprofil wird entsprechend verträglicher.
   1815 Uhr - Kilometer 170 (325 m ü.NN) - Pause in Nordheim. Im Biergarten des "Fränkischen Hofs" gönnen wir uns jeder ein Bier und einen großen Riegel Schokolade - letzteren um die "Batterien" wieder ein wenig aufzufüllen.Deu-2006-002-010 Der Wirt, der uns nach dem Woher & Wohin befragt, hält uns - wen wundert's - für komplett durchgeknallt.
   1830 Uhr - weiter Richtung Meiningen. Ein letzter Gruß der Rhön: ein ungemein steiler Anstieg kurz vor Willmars, dann markiert ein Verkehrsschild die Grenze zwischen Bayern (Franken) und Thüringen: Willkommen im Kreis Schmalkalden-Meiningen - hurra ! Am Horizont ragt der Thüringer Wald gen Himmel - das letzte und höchste Hindernis auf unserem Weg nach Erfurt - doch vorerst folgt die Straße den sanft abfallenden Tälern der Herpf und der Werra.
   2045 Uhr - Kilometer 210 (290 m ü.NN) - letzte große Pause in Schmalkalden.Deu-2006-002-011 Wir beschließen noch einmal Essen zu gehen ... Das erstbeste Restaurant an der Straße ist ein griechisches namens "Athen". Während im Fernsehen das "Kleine Finale" der Fußball-Weltmeisterschaften (Deutschland gegen Portugal) angepfiffen wird, genießen wir ein reichhaltiges griechisches Mal und überlegen noch einmal ernsthaft, ob wir die verbleibenden 80 km wirklich noch heute zurücklegen oder lieber doch eine Herberge in Schmalkalden suchen sollten. Ein heikles Thema, denn, obwohl (wie sich später herausstellt) jeder von uns die Weiterfahrt als ziemliche Quälerei empfindet, will keiner derjenige sein, der den Ausschlag für eine "vorzeitige" Unterbrechung der Tour gibt.
   2130 Uhr - da sich keiner von uns Dreien offen dagegen ausgesprochen hat, geht die Tour wie geplant (d.h. nach dem neuen Ein-Tages-Plan) weiter. Inzwischen ist es dunkel, was die Orientierung ein wenig erschwert. Nach einigem hin & her finden wir schließlich die richtige Straße in Richtung Schnellbach.Deu-2006-002-012 Jetzt wird's noch einmal richtig ernst: Gute 12 km steiler Anstieg trennen uns vom Kamm des Thüringer Waldes ! Inzwischen sind wir alle ziemlich angeschlagen, so dass mein Vorschlag, die Räder zur Entspannung ein paar Meter zu schieben, allgemeine Zustimmung findet.
   2310 Uhr - Kilometer 228 (700 m ü.NN) - ein Schild reflektiert das Licht unserer Lampen: "Rennsteig" - wir haben den Kamm des Thüringer Waldes erreicht. Ab jetzt geht's nur noch bergab !
   2320 Uhr - Kilometer 235 (470 m ü.NN) - haben nach wahrer Schussfahrt auf stockfinsterer Straße Tambach-Dietharz erreicht. Dank einer Straßensperrung (mit den Rädern ist die Passage der Baustelle kein Problem) gehört die Straße Richtung Ohrdruf uns allein.

09.07.2006 (So)
   025 Uhr - Kilometer 260 (330 m ü.NN) - Ankunft in Gotha - bei einem kurzen Stopp um frisches Trinkwasser zu besorgen, erfahren wir dass Deutschland WM-Dritter geworden ist.Deu-2006-002-013 Weiter auf der um diese Tageszeit fast unbefahrenen B7 Richtung Erfurt. Nur noch 20 km auf nahezu ebener Strecke gilt es zu bewältigen - 20 km die Bernd allerdings im Stehen zurücklegen muss, da sein Sitzfleisch bösartig wundgescheuert ist.
   145 Uhr - Kilometer 280 - wir haben den Ortseingang von Erfurt erreicht. Abfahrt Richtung Zentrum. Hier endet unsere gemeinsame Tour. Die letzten Kilometer bis nach Hause muss jeder für sich allein bewältigen.
   200 Uhr - Kilometer 286 (165 m ü.NN) - ich hab's geschafft: Die heimatliche Haustür liegt vor mir ... nur noch 96 Stufen bis zum Bett !

Bericht: Heiko Otto
Juli 2006       


PS: Noch schnell ein Blick auf den Fahrrad-Computer für die Statistik:
Gesamtstrecke:  285,85 km
Gesamtfahrzeit:  17 h 15 min
Effektive Fahrzeit:  12 h 54 min
Durchschnittsgeschwindigkeit:  22,15 km/h
Maximalgeschwindigkeit:  73 km/h
Maximale Steigung:  11%
Insgesamt zurückgelegte Höhenmeter:  2279 m
Mein Gott, das glaubt uns mal wieder kein Mensch !
Kommentar
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