Nie zuvor bin ich im Zusammenhang mit einer Reise so oft von Freunden und Bekannten angesprochen (und in den meisten Fällen für total verrückt erklärt) worden, wie vor und nach meiner Tour nach Nordkorea. Kaum einer konnte verstehen, was ich ausgerechnet in diesem, im Westen so verrufenem Teil der Erde wollte. Manche hielten es für vollkommen unmöglich, überhaupt nach Nordkorea hineinzukommen, andere glaubten mich nach erfolgreicher Einreise für lange Zeit nicht wiederzusehen. Nichtsdestotrotz fiel es mir nicht allzu schwer, mit Marko Linke und Thomas Petzold zwei interessierte und fernreiseerfahrene Begleiter für dieses außergewöhnliche Abenteuer zu finden ...
Die mir wieder und wieder gestellte Frage, warum es diesmal ausgerechnet Nordkorea sein sollte, war relativ leicht zu beantworten: Ich wollte endlich wissen, wie es im „Reich des Bösen” wirklich zugeht, wollte mit eigenen Augen sehen, was an all den Horrorgeschichten dran ist, die man in schöner Regelmäßigkeit in unseren westlich geprägten Medien über Nordkorea zu hören bekommt, wollte das Land kennenlernen, solange es noch in dieser Form existierte und wollte - wenn ich ganz ehrlich zu mir selbst bin - mehr als 20 Jahre nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Staaten Osteuropas noch einmal eine kleine Brise echter Ostalgie schnuppern. Auf jeden Fall wollte ich die Sache möglichst unvoreingenommen angehen - was mir im Nachhinein gesehen, wirklich schwer fiel und wohl auch nicht immer ganz gelangen ...
Die stets darauf folgende Frage, wie ich eigentlich in dieses so streng abgeschottete Land hinein kommen wollte, bereitete mir weit mehr Kopfzerbrechen. Doch um es gleich vornweg zu nehmen: Sowohl die Ein- als auch die Ausreise aus der Koreanischen Demokratischen Volksrepublik - so der offizielle Name Nordkoreas - waren weit unkomplizierter als ich im Vorfeld der Reise vermutet hatte. Im Land selber konnten wir uns jedoch keinen noch so kleinen Schritt ohne unsere von staatlicher Seite gestellten Begleiter bewegen. Selbige waren zwar redlich bemüht, uns die schönen Seiten des Landes näher zu bringen, hielten uns aber auch nachdrücklich davon ab, den weniger schönen zu nah zu kommen und wachten geradezu argwöhnisch darüber, dass wir ja keine nicht-offiziellen Kontakte zur einfachen Bevölkerung knüpfen konnten.
Die Vorbereitungen für die Tour begannen im Frühjahr 2012. In einer Zeitung hatte ich einen Artikel über die Arirang-Spiele in Pjöngjang - der Hauptstadt Nordkoreas - gelesen. Fasziniert von der Beschreibung dieses Großereignisses und schwer beeindruckt von den beigefügten Bildern wuchs in mir schnell der Wunsch, dieses Spektakel einmal „live” zu erleben und so ganz nebenbei Land und Leute kennenzulernen. Denn, so sagte ich mir, wenn es den Autoren dieses Zeitungsartikels gelungen war, ins Reich des Kim Il-sung zu gelangen, warum sollte ich es dann nicht ebenso schaffen können ?
Die Suche nach halbwegs zuverlässigen und aktuellen Informationen über Nordkorea war erwartungsgemäß mühsam und nicht wirklich ergiebig. Immerhin gab es im Buchhandel eine Art Reiseführer: das „Nordkorea-Handbuch” von Arno Maierbrugger mit Stand von 2007 - ein wenig eingestaubt, aber besser als nichts. Über das Internet konnte ich zudem einen Kontakt zu Manfred Schneider - einem Insider in Sachen Nordkorea mit den notwendigen Verbindungen zu den dortigen Behörden - herstellen. Durch ihn erfuhr ich auch von anderen Interessenten an einem solchen Abenteuer und der Möglichkeit, sich zumindest für einen Teil der Reise einer kleinen Gruppe anschließen zu können. Inzwischen hatte mein alter Freund und Reisegefährte Marko von meinem Treiben Wind bekommen und auch Thomas, mein vormaliger Partner bei einer ähnlichen Unternehmung im Sudan meldete Interesse an. Gemeinsam machten wir uns an die weitere Planung der Reise.
Thomas, den als Eisenbahner natürlich die nordkoreanische Bahn ganz besonders interessierte, hatte die Idee, die Ein- oder Ausreise mit selbiger zu bewerkstelligen - ein Gedanke, der Marko und mich sofort begeisterte. Manfred bestätigte, dass dies theoretisch - unter gewissen Umständen - vielleicht sogar möglich wäre. Ein zweiter, fast noch interessanterer Vorschlag kam von Manfred selbst: Er hatte Kenntnis von einer kleinen Gruppe, die plante, Nordkorea per Charterflug in alten Maschinen sowjetischer Bauart zu bereisen. Möglicherweise konnten wir uns dieser Gruppe anschließen. Das klang verführerisch gut und brachte unseren ursprünglichen Plan, die Reise komplett individuell anzugehen, arg ins Wanken. Aus den Informationen, die wir inzwischen zu Nordkorea gesammelt hatten, stellten wir schließlich eine Art Wunschliste möglicher Reiseziele zusammen und schickten diese an Manfred, damit er selbige mit den nordkoreanischen Behörden abstimmen konnte. Wie sich zeigte, deckten sich unsere Vorstellungen weitgehend mit den Zielen der erwähnten Charterfluggruppe und einer zweiten, per Bus geplanten Rundreise. Kurz entschlossen stimmten wir also einer Kontaktaufnahme mit beiden Reisegruppen zu und erhielten bald darauf die Zusagen für das gemeinsame Unterfangen.
Als unerwartet problematisch erwies sich die Beschaffung der für die Ein- und Ausreise nach Nordkorea über den Landweg unabdingbaren Visa für die Volksrepublik China. Irgendeine Äußerung deutscher Politiker hatte die chinesische Staatsführung mal wieder schwer erzürnt - und das bekamen wir nun in Form verschärfter Einreisebedingungen zu spüren: Statt der sonst üblichen kurzen Angaben zur geplanten Einreise und der Aufenthaltsdauer mussten wir nun plötzlich eine genaue Disposition der gesamten Reise vorweisen - inklusive Flugtickets, detaillierter Reiseroute und bestätigter Vorbuchungsnachweise für alle örtlichen Unterkünfte. Eine nahezu unerfüllbare Schikane, zumal wir zu diesem Zeitpunkt der Planung noch nicht einmal sicher wussten, ob und für welchen Zeitraum wir ein Visum für Nordkorea bekommen würden. Doch an chinesischer Bürokratie sollte diese Reise nicht scheitern ! Nach drei endlos langen und nervigen Besuchen im Chinesischen Konsulat in Frankfurt hielt ich die auf unsere Namen ausgestellten Visa schließlich in den Händen - diese Hürde war genommen.
Geradezu kinderleicht lief dagegen der Erwerb der nordkoreanischen Einreiseerlaubnis. Über Manfred schickten wir unsere Pässe nebst Visa-Anträgen, Gebühren und einem groben Reiseplan an die Nordkoreanische Botschaft. Drei Wochen später (eine Woche vor Beginn der Reise) lagen die visierten Pässe in unseren Briefkästen.
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